Jugendschutz? Naja…

Gestern habe ich tatsächlich durch Zufall mal „Stern-TV“ gesehen, zumindest einen Beitrag. Da rannte ein Typ durch die Räumlichkeiten der USK in Berlin Friedrichshain und machte ein bedeutungsschwangeres Gesicht. Das sah interessant aus.

Stefan Stein hat ein Programm entwickelt, das alle (?) auf einem PC installierten Spiele findet und jeweils die USK-Freigabe anzeigt. Wie, das ist schon alles? Eine Funktion, die Vista theoretisch als Standard mitbringt, wenn der interne Spielebrowser funktionieren würde… Der Sinn dieses innovativen Stücks Programmierkunst soll nun darin liegen, dass Eltern mit wenigen Mausklicks herausfinden können, was ihre Sprößlinge so spielen.

Im Artikel auf Stern.de liest sich das ganze so:

Um jugendgefährdende Inhalte von ihren Kindern fernzuhalten, waren sie bisher auf so genannte „Jugendschutz-Filter“ angewiesen. Das Problem: Findige Kinder umgehen die Sperren – und laden sich dann doch fragwürdige Killerspiele aus dem Netz auf ihre Rechner.

Ja, und natürlich ist der neue Super-Duper-Jugenschutzprogrammdings unknackbar.

Weiter heißt es:

Der 28-jährige Stefan Stein hat nun ein Programm entwickelt, das Eltern – auch ohne PC-Kenntnisse – die Möglichkeit geben soll, nicht altersgemäße Spiele auf dem PC ihres Nachwuchses zu finden und zu löschen.

Aha, ohne PC-Kenntnisse. Das Programm installiert sich also über telepathische Befehle ganz von selbst. Cool.

Auf die Idee gekommen war Stein durch seine Mutter, die als Lehrerin arbeitet. Eine Umfrage an ihrer Schule hatte ergeben: Schon Fünftklässler zocken massenhaft mit Spielen, die eigentlich erst für Volljährige zugänglich sein sollen.

Spitzenidee! Man bringt eine Software, die von den Eltern, die kaum Ahnung vom (eigenen?) PC haben genutzt werden soll auf den Markt und tut dann so, als hätte man etwas für den Jugendschutz getan. Dass es viel bedenklicher ist, dass der Nachwuchs offenbar unkontrolliert Zugang zu Computerspielen (ob nun gekauft oder illegal heruntergeladen) hat, scheint nicht zu interessieren.

Zu finanziellen Dimension:

Fast vier Jahre hat die Entwicklung der Software gedauert. Und 70.000 Euro Privatvermögen hat die gesamte Familie investiert. Die notwendige Unterstützung bekam der 28-Jährige am Ende von der „Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle“, kurz USK, einer Organisation der Spieleindustrie, die aber von den Bundesländern überwacht wird. Die USK hat Stefan Stein mit den relevanten Daten der rund 500 Spiele versorgt, damit er sein Programm damit füttern konnte.

Was bitte kostet an einem Programm, dass statische Daten zu Spielen enthält (gut, es kann übers Netz aktualisiert werden) und im Prinzip nichts anderes macht als die Einträge in der Registry zu prüfen 70.000 €? Selbst wenn Herr Stein jedes der 500 Spiele gekauft hätte, käme nicht so eine Summe zusammen. Außerdem wäre eine Reise in die Räulichkeiten der USK nicht nötig gewesen, denn die Daten sind im Netz sowieso frei verfügbar. Einfach unter „Prüfdatenbank“ nachschauen, da steht alles drin. Und wenn Sie schon dabei sind, schauen Sie doch mal, wieviele Spiele die USK tatsächlich pro Jahr prüft und welcher sehr, sehr geringe Anteil davon „keine Jugendfreigabe“ trägt. 500 Titel sind lächerlich wenig, allein die Rubrik „Shooter => Ego“ zeigt 534 Treffer für den PC. „Shooter => 3rd Person“ zeigt weitere 97 Titel.

Die ganze Sache ist medienwirksam inszenierter Unfug unter dem Deckmantel des Jugendschutzes. Wenn sich Eltern auf eine solche Software verlassen, stehen sie ob ihrer ach so cleveren Kinder genauso dumm da wie vorher. Wahrscheinlich finden sich schon jetzt Methoden im Netz, mit denen man den „NeoGuard“ umgehen kann. Schön auch, dass der Shop unter http://www.neoguard.de/ derzeit nicht erreichbar ist. Wurde wahrscheinlich von Killerspielern gehackt…

Wer hat´s erfunden?

Die Schweizer natürlich. Das „Killerspieleverbot“, meine ich.

So, die Schweiz macht also Nägel mit Köpfen, was beinahe ironisch erscheint, gelten die Schweizer doch dem Klischee nach als langsam. Doch in punkto „Killerspielverbot“ sind unsere südlichen Nachbarn schneller als die Deutschen. Hintergünde dazu gibt´s hier.

Bei gulli.com (oberer Link) findet sich eine Aussage von Evi Allemann (die übrigens wohl so heisst und nicht wie auf gulli.com geschrieben „Allemann Evi“):

„Solche Spiele machen zwar nicht aus jedem einen Killer, aber sie verstärken die Bereitschaft bei jenen, die ohnehin anfällig sind. Ein generelles Verbot solcher Spiele erscheint deshalb angemessen und verhältnismäßig, insbesondere da sie über keinen irgendwie schützenswerten kulturell-gesellschaftlichen Gehalt verfügen und es Tausende andere spannende Computerspiele gibt, die ohne solche Gewaltexzesse auskommen.“

Gut, der Besitz eines Messers macht nicht aus jedem einen Killer, aber verstärkt die Bereitschaft bei jenen, die ohnehin anfällig sind. Ein generelles Verbot von Messern erscheint deshalb angemessen und verhältnismäßig…oder was? Was ist denn das für eine Argumentation? Naja, es ist eigentlich keine Argumentation, denn die Tatsachen Mutmaßungen, die Frau Allemann hier präsentiert, sind unsinnig und wissenschaftlich nicht belegt.

Laut Gamestar erhofft sich Frau Allemann

„von dem Gesetz, dass nur einzelne besonders gewaltverherrlichende Spiele verboten werden. Namentlich nennt Allemann Titel wie Manhunt und Mortal Kombat. Counter-Strike, so Allemann im Interview mit 20min.ch, gehöre aber nicht dazu.“

Aha, die Schweiz hat also zwar ein „Killerspielverbot“ beschlossen, dieses scheint aber in der Tat etwas anders gelagert zu sein, als in der deutschen Debatte zum selben Thema. Während in Deutschland „Manhunt“ ohnehin beschlagnahmt ist und nicht legal gekauft werden kann, also auch nicht unter dem Ladentisch, scheint das in der Schweiz derzeit anders zu sein. Die Schweizer verstehen also nicht Counter-Strike, sondern erst das nächst höhere Gewaltlevel als „Killerspiel“. Interessant, denn offenbar scheint es in der Schweiz keine rechtliche Entsprechung des §131 StGB zu geben scheint, der sowieso auf gesetzlicher Ebene die Darstellung besonders grausamer Gewalt verbietet. Wobei ich finde, dass Mortal Kombat durch die sehr starke Überzeichnung der Gewalt eher lustig als brutal erscheint. Aber gut, ein Zehnjähriger muss das nicht unbedingt spielen.

Ich trainiere auch?

Auch die Schweizer befassen sich mit Killerspielen. Schön, aber wenn dabei solch seltsame Aussagen zutage treten, dann frage ich mich schon, ob die „Experten“ auch wissen, wovon Sie da reden.

zuonline.ch führte ein Interview mit Peter Weishaupt, Geschäftsleitendem des Schweizerischen Friedensrates. Darin sagt Herr Weishaupt u.a.:

Diverse Amokläufe haben die Diskussion um sogenannte Killergames neu entfacht, weil die Täter angefressene «Gamer» waren. Besonders erschreckend fand ich, dass der Amoklauf im deutschen Winnenden im März dieses Jahres der 1:1-Umsetzung eines solchen Computerspiels gleichkam. Die Art, von Schulzimmer zu Schulzimmer zu gehen und Mitschüler mit punktgenauen Kopfschüssen hinzurichten, entspricht ziemlich genau dem «Training» auf dem Bildschirm.

Bitte, Herr Weishaupt, zeigen Sie mir besagtes Spiel, in dem man in einer Schule von Klasszimmer zu Klassenzimmer geht und wehrlose Mitschüler umbringt. Keinesfalls entspricht es „ziemlich genau“ dem, was man in einem so genannten „Killerspiel“ wie Counter-Strike, Call of Duty oder meinetwegen auch Battlefield 2  macht. Sicher, bei GTA ist es möglich, Zivilisten zu töten, doch auch hier finden keine Amokläufe in Schulen statt.

Weiter:

An die Stelle von Spielzeugwaffen sind Kriegsspiele auf dem Computer und im Internet getreten. Diese haben eine andere Qualität als ein Plastikgewehr. Sie liefern sehr realistische Bilder, da spritzt Blut, wenn jemand erschossen wird – das sind keine symbolischen Darstellungen mehr. Und im Gegensatz zu einem Film ist der Spieler nicht bloss passiver Zuschauer, sondern interaktiver Kämpfer. Es ist ein richtiggehendes «Training». Zum Problem werden solche Spiele aber erst, wenn Kinder sie unkontrolliert spielen.

Danke zunächst für den letzen Satz, dieser relativiert die doch eher weit hergeholten Aussagen von vorher etwas. Ich verstehe nämlich nicht wirklich, warum ein Spielzeuggewehr, das eine haptische Nachbildung einer realen Schusswaffe darstellt, mit der man realistisch auf ein Ziel anlegt und dann ggf. auch Schussgeräusche produziert (ob nun über Knallplätzchen oder mit dem Mund), weniger „Waffentraining“ sein soll als mit Tastatur und Maus (!) ausgefochtene virtuelle (!) Gefechte zu spielen. Natürlich ist die Darstellung in aktuellen Spielen (siehe CoD 6 – Modern Warfare 2) sehr realistisch, was die Waffenwirkung betrifft. Wirklich Schießen lernt man hierbei jedoch nicht!

Dem passiven Zuschauer werden Entscheidungen abgenommen, er muss nicht moralisch sein, denn auf den Lauf eines Film hat er keinen Einfluss. Ist deshalb „John Rambo“, einer der mit Abstand blutigsten Filme der letzen Jahre, weniger „gefährlich“ als eine Partie „Modern Warfare 2“ am Rechner? Gerade dadurch, dass der Zuschauer nicht selbst handelt, nicht selbst über das Getane nachdenken muss, sehe ich eher Filme als „gefährlicher“ an, was die oft angesprochene „Verrohung“ angeht. Bei einem Spiel hingegen entscheiden eigene Aktionen, man muss sich mit dem, was passiert auseinandersetzen, man ist nicht nur bloßer Konsument. Erschieße ich in einem Spiel einen Hilflosen, so ist es meine Handlung gewesen, geschieht dies in einem Film, kann ich die Verantwortung abgeben.

Zum Schluss äußert sich Herr Weishaupt noch zu einem möglichen Verbot solcher Spiele:

Nein, ich bin gegen ein totales Verbot. Statt diese Dinge ganz von den Kindern fernzuhalten, sollten wir sie zu Selbstbewusstsein und Konfliktfähigkeit erziehen und ihnen beibringen, auch das Gefühl von Frust auszuhalten. Ich finde aber, der Staat sollte regulierend eingreifen, indem er Altersbegrenzungen durchsetzt oder wie in Deutschland gewisse besonders krasse Elemente aus den Spielen verbannt.

Immerhin sieht er die Lage aus einem vernünftigen Blickwinkel. Dennoch finde ich es eine Unverschämtheit, dass mir als volljährigem, wahlberechtigtem, steuerzahlendem Bürger vom Staat vorgeschrieben werden soll, welche Form ein Medium haben soll, zu dem ich Zugang haben darf. Wenn ein Spiel ab 18 Jahren freigegeben ist, dann hat der Staat da seine Finger rauszulassen, es sei denn, es verstösst tatsächlich gegen geltendes Recht. Bei den meisten Spielen, die der USK-Schere zum Opfer fallen, ist dies aber nicht der Fall, da geht es meist nur um Alibi-Schnitte, um den besorgten Eltern zeigen zu können, wie sehr man sich um dem Jugendschutz sorgt. Währenddessen laden die lieben Kleinen sich den ganzen Scheiß sowieso uncut illegal runter.

Nochmal zum Thema „Waffentraining“. Als schußwaffeninteressierter Mensch, der auch so ziemlich jeden besseren Shooter gespielt hat, müsste ich, nach Aussagen wie der oben getroffenen, sehr gut im Umgang mit echten Waffen geschult sein. Bin ich nicht. Ich trainiere also einzig den virtuellen Umgang mit virtuellen Waffen, indem ich mich durch virtuelle Gebiete begebe und auf virtuelle Feinde schieße. Dabei spielen aggressive Gefühle kaum eine Rolle, im Gegenteil, wenn man genervt und frustriert ist, gewinnt man in „Killerspielen“ keinen Blumentopf. Auf Konzentration, Reaktion und vor allem Disziplin kommt es dabei an, blind nach vorn stürmen und auf alles Ballern, was sich bewegt, führt fast nie zum Ziel.

Vorahnung

Na, mal sehen, was da wieder bei rauskommt. SpOn schreibt in Bezug auf den Amoklauf von Ansbach:

Im Haus der Familie stellten Ermittler inzwischen den Computer des 18-Jährigen sicher. Die Auswertung, so die Oberstaatsanwältin, laufe noch, Erkenntnisse lägen bislang nicht vor.

Na, dann haben wir wohl bald endlich das Motiv, den Auslöser sowie die Trainigsgrundlage (was wohl, KILLERSPIELE) und wahrscheinlich hat der Täter seine Axt auch noch bei Ebay gekauft. Also wenn jetzt nicht endlich mal Computer verboten werden, dann weiß ich auch nicht.

Eine weitere unbedeutende Randnotiz im Artikel, die sicher nichts, aber auch gar nichts und ganz sicher nichtmal das geringste vorstellbare Bißchen mit der Tat zu tun hat:

Er soll wegen seines Aussehens von Mädchen gehänselt worden sein. Eine Mitschülerin sprach sogar von Mobbing.

Hier einen Zusammenhang zu vermuten, erscheint mir einfach absurd. Wahrscheinlich wird sich (wie sonst auch) Counterstrike, Far Cry 2 oder irgendein anderer Shooter auf der Festplatte des Rechners finden und schon ist der Fall gelöst.

Polemischer Quatsch

Die „Killerspiele“ müssen wieder einmal als Sündenbock herhalten.

Im zugegeben nicht mehr taufrischen Artikel auf focus.de spricht eine offensichtlich nicht qualifizierte Person Wissenschaftlerin über Killerspiele und lässt sich zu folgenden Aussagen hinreißen:

Für schwere Gewalttaten gibt es eine ganz entscheidende Voraussetzung: Ich nenne es „die tyrannische Gelegenheit“. Im Fall von Amoklauf ist dies unter anderem die Verfügung über Waffen und die geübte Fähigkeit, durch gezielten Kopfschuss zu töten: Genau das lernen Menschen bei „Killerspielen“.

Nein, Frau Ostbomk-Fischer, das lernen Menschen bei „Killerspielen“ eben nicht. Keines der auf dem Markt befindlichen Spiele bringt dem Spieler bei, wie eine reale Waffe bedient wird, wie eine reale Waffe sich anfühlt oder wie eine reale Waffe sich beim Abfeuern verhält. Die Aussage von Frau Ostbomk-Fischer entbehrt jeglicher Grundlage und darf nicht wissenschaftlich genannt werden, die Aussage ist schlicht und objektiv falsch. Die Amokläufer von Erfurt und Winnenden haben das Schießen in legalen Schützenvereinen gelernt, wurden an legal besessenen scharfen Waffen ausgebildet und dadurch mit staatlichem Segen zu geübten Schützen ausgebildet.

Weiter gehts:

Es kann nicht deutlich genug gesagt werden: „Killerspiele“ sind spezielle Formen von Computerspielen, die darauf ausgerichtet sind, den Grundkonsens einer humanen Gesellschaft zu untergraben. Zu den wesentlichen Merkmalen von „Killerspielen“ gehört es, dass die Spielenden animiert werden, einzeln oder gemeinsam andere Menschen als Gegner oder Feinde wahrzunehmen, diese Menschen verächtlich zu machen, sie zu erniedrigen, zu foltern und zu töten, sowie ihre Lebensgrundlage zu zerstören.

Nein, Frau Ostbomk-Fischer, im Computerspielen werden nicht die anderen Menschen, sondern deren virtuelle Stellvertreter als Gegner angesehen. Beim Boxen, einer anerkannten und offensichtlich nicht jugendgefährdenden Sportart, wo beide Kontrahenten sich direkt zusammenschlagen, ohne virtuelle Zwischenwelt, geschieht eben genau das nicht, dort wird nämlich in der Tat der andere Mensch als Gegner angesehen. Wird hier also mit zweierlei Maß gemessen?

Mehr Unkenntnis, diesmal zum Thema USK:

Das Jugendschutzgesetz bezieht sich eigentlich nur auf die Einhaltung der Altersgrenzen. Die Altersempfehlungen werden aber von den Herstellerkonzernen über die USK (Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle) selbst bestimmt, die natürlich am Verkauf ihrer Produkte interessiert sind.

Äh, nein.

Und noch mal:

Besonders brutale und menschenverachtende „Spiele“ werden von der USK „ab 18“ gekennzeichnet, fallen also nicht mehr unter das Jugendschutzgesetz und können auch nicht mehr indiziert werden. Fast jedes Kind kann im Übrigen an Spiele „ab 18“ gelangen, zum Beispiel durch Freunde, ältere Geschwister, Internettauschbörsen oder Bestellung im Ausland.

Möööp. Wieder falsch. Menschenverachtende Spiele bekommen kein USK-Siegel, Beispiele dafür sind z.B. „Condemned 2“ oder „Manhunt“, die beide beschlagnahmt sind. Diese Spiele dürfen in Deutschland nicht verkauft werden. Die meisten brutalen Spiele erhalten nur nach drastischen Kürzungen (siehe „Call of Duty – World at War“ oder „Necrovision“) überhaupt das „keine Jugendfreigabe“-Siegel (USK ab 18 Jahren).

Dass jedes Kind an nicht für sein Alter freigegebene Spiele gelangen kann, zeigt nicht, dass die Gesetze unzureichend wären, sondern dass Eltern, Geschwister oder Ladenketten ihrer Verantwortung nicht nachkommen, Kindern den Zugang zu Spielen zu verwehren, die nicht für ihr Alter freigegeben sind. Ebenso sollten Eltern zumindest versuchen, den Internetverkehr ihrer Kinder im Auge zu behalten. Der Sprößling muss keine illegalen Torrent-Downloads machen können, nee, wirklich nicht. Aufsichtspflicht heißt das Zauberwort. Bestellungen im Ausland stellen sich auch etwas schwierig dar, ohne eigene Bank-, Kredit- oder Sonstwas-Karte. Abgesehen davon, dass Minderjährige im Zweifel noch gar nicht geschäftsfähig sind, aber mit derlei Kinkerlitzchen will ich mich hier nicht aufhalten.

Ein weiterer Beitrag zum Thema „Nichts wissen und dennoch davon erzählen.“

Es verwundert kaum, dass Frau Ostbomk-Fischer sich auf Studien von Christian Pfeiffer bezieht, steht zumindest auf ihrer Homepage. Durch Verwertung zweifelhaften Materials werden die wackligen Thesen und die mehr als gewagte Argumentation eines Herrn Pfeiffer auch nicht wissenschaftlicher. Mitunter ist es sinnvoll, Studien auch kritisch zu lesen und mehr als eine Quelle für die eigene Arbeit heranzuziehen. Als Wissenschaftlerin sollte Frau Ostbomk-Fischer das eigentlich wissen, fragt sich also, warum sie es offenbar nicht getan hat.

Nun auch die Rentner…

Hat es nun also auch die Alten erwischt? Über den „Amoklauf am Niederrhein“, steht heute bei SpOn ein Artikel.

Klarer Fall, der Mann hat das Schießen durch die Berichterstattung über Counter-Strike gelernt, wie sonst? Warum ist davon nichts im Artikel zu lesen? Es wurde wohl noch kein spielefähiger PC in der Wohnung des Täters entdeckt. Bestimmt hatte er aber Kontakte zu Menschen, die Killerspiele spielen, ganz sicher. Die Waffe wurde ihm vermutlich zur Betreuung vom örtlichen Schützenverein überlassen. Die Munition lag sicher rein zufällig im Keller herum.

Aha, Familienstreitigkeiten haben angeblich zu der Bluttat geführt, so steht es zu lesen. Ich halte das ja für reine Spekulation, viel realistischer ist doch folgendes Szenario: der Täter hat einmal zu oft „Frontal 21“ geschaut und ist anschließend durchgedreht. Lässt sich mit Sicherheit schlüssig nachweisen (Hallo Herr Pfeiffer!) und populistisch ausschlachten („Killersendung im ZDF!“).

Also, Boulevardpresse, los gehts!

Zweimal den Bock zum Gärtner gemacht

Ist es in Deutschland eigentlich irgendwo gesetzlich festgeschrieben, dass diejenigen, die als Vertreter einer Organisation oder Behörde mit der Presse reden, keine Ahnung haben dürfen? Es erscheint mir zumindest so, denn die GameStar bringt heute online gleich zwei Beispiele (1,2) dafür, dass manche Menschen lieber nichts sagen sollten, als sich öffentlich als vorurteilsbelastet und (in Hinsicht auf „Killerspiele“) ungebildet zu präsentieren.

Bock 1:

Der bayerische Medienminister Siegfried Schneider (wusste bislang nicht mal, dass es so einen Posten gibt) glänzt mit folgendem Statement:

„Das gemeinsame Ziel von Gesellschaft, Herstellern und Handel muss sein, die Zahl guter und kulturell wertvoller Spiele deutlich zu steigern… Es ist unbedingt notwendig, dass die die Computer- und Video-Spielbranche selbst den Jugendmedienschutz als eigene Kernaufgabe ihres Wirtschaftszweiges sieht“.

(Quelle)

Ähh, ja. Was will uns Herr Schneider damit sagen? Dass er von Kultur verlangt, in erster Hinsicht als Element des Jugendschutzes zu funktionieren? Der Jugendschutz ist sicher nicht Aufgabe der Industrie, egal welcher, sondern Aufgabe des Staates. Wenn Herr Schneider das anders sieht, sollte er seinen Posten vielleicht aufgeben und sich eine andere Beschäftigung suchen.

Steht nicht irgendwo (in einer unbedeutenden Randnotiz, die man aus Versehen überlesen kann), dass in Deutschland keine Zensur stattfindet? Wenn man Kulturschaffenden schon während des kreativen Entstehungsprozesses eines Kulturguts auf die Finger schaut und an eine übersteigerte, realitätsferne Vorstellung von Bevormundung einer ganzen Bevölkerungsschicht Jugenschutz gemahnt, dann ist das in meinen Augen nichts anderes als Zensur. Letztendlich würden Politiker wie Herr Schneider darüber entscheiden, welches Spiel, welcher Film, welche Musik, welches Buch in welcher Form (geschnitten, verstümmelt) auf den Markt kommen dürfte.

Sekunde mal…genau das geschieht doch in Deutschland bereits. Siehe auch hier.

Die Zahl guter und kulturell wertvoller Spiele zu steigern kann für den deutschen Handel nur wünschenswert sein, wenn diese wertvollen Spiele dann hierzulande auch verkauft werden dürften, oder? Angesichts der Tatsache, dass „Killerspiele“-Kritiker unter Berufung auf haltlose Behauptungen „Argumente“ das generelle Verbot von ganzen Sparten von Computerspielen fordern, würden dem Handel dabei beträchtliche Umsätze verloren gehen. Kaum ein Spieler kauft freiwillig die verstümmelten deutschen Versionen von Spielen, zumal diese meist in den großen Kaufhausketten extrem teuer sind, meist sogar teurer, als wenn man sich das ungeschnittene Original des Spiels anderswo kauft. Den Handel mit ins Boot zu holen, halte ich also für eine rein populistische Wortspielerei.

Bock 2:

Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft Hessen, Herr Heini Schmitt, ließ sich zu folgendem hinreißen, bezugnehmend auf Aussagen des G.A.M.E.-Verbands zum Amoklauf in Winnenden (dieser hatte betont, dass Verbotsforderungen einer Zensur gleichkämen):

„Das Bemühen, die Diskussion um eine mögliche Mitverursachung solch grauenvoller Taten wie des Amoklaufs von Winnenden durch Killerspiele möglichst schnell zu beenden und wieder zum virtuellen Spiel- bzw. Geldverdien-Alltag überzugehen, ist geradezu entlarvend offenkundig… Und nicht nur nebenbei sei gesagt, dass es ohnehin ein Armutszeugnis ist, wenn sich die Kreativität nahezu einer ganzen Branche weitgehend darin erschöpft, immer neuere, perversere Techniken zur virtuellen Tötung von Menschen zu entwickeln.“

(Quelle)

Die Kreativität einer gesamten Branche (naja, zumindest nahezu der gesamten) beschränkt sich also nach Ansicht von Herrn Schmitt auf das Entwickeln von Tötungstechniken. Was würde der wohl erst zu Mitarbeitern von Heckler & Koch, Glock, Magnum Reserach, Smith & Wesson u.a. sagen? Die stellen immerhin echte Waffen her, mit denen echte Menschen getötet werden können. Diese Aussage zeugt jedenfalls von (nahezu) unfassbarer Unwissenheit, Naivität und (ja, ich höre das heraus) Böswilligkeit gegenüber Computerspiele-Entwicklern. Wer, wenn nicht Perverse, könnten sich denn perverse Techniken zur (immerhin) virtuellen Tötung von Menschen ausdenken? Vielleicht geht Herr Schmitt da doch einen klitzekleinen Schritt zu weit.

Dabei lasse ich jetzt mal außen vor, dass Herr Schmitt augenscheinlich überhaupt keine Ahnung von der eigentlichen Materie hat, über die er sich hier zu urteilen gemüßigt fühlt.

Dieser Satz ist auch noch interessant:

„Die Welt wird nicht ärmer, wenn es keine Killerspiele mehr gibt; niemand braucht sie, ganz im Gegenteil… …Ein Amoklauf ist immer das Ende einer langwierigen Entwicklung. Und Killerspiele dürfen bei einer solchen Entwicklung nicht länger begünstigend wirken!“

(Quelle)

Herr Schmitt ist also nicht nur Polizist, sondern auch Pädagoge, Sozialwissenschaftler und Psychologe. Anders kann ich mir die implizite Aussage, dass ein direkter Zusammenhang zwischen „Killerspielen“ und Amokläufen besteht, nicht erklären. Glückwunsch, Herr Schmitt, Sie haben soeben bewiesen, dass Sie der aktuellen (wissenschaftlichen!!!) Debatte zu dem Thema nicht folgen. Dort herrscht jedenfalls auf keinen Fall Konsens über irgend eine wie auch immer geartete Beziehung zwischen virtueller und realer Gewalt (nachzulesen u.a. hier). Herr Schmitt scheint sich auf die „Recherchen“ von BILD, Frontal21 und ähnlichen „journalistischen“ Akteuren zu verlassen, anders ist diese unreflektierte Aussage nicht zu deuten.

Die Welt würde nicht ärmer, wenn endlich mal nur diejenigen, die sich mit dem Thema „Killerspiele“ auch wirklich beschäftigen, ihre Meinungen kundtun würden. Dies nur am Rande. Ob die Aussagen von Herrn Schmitt nun aus politischem Aktionismus oder tatsächlich als Konsequenz von Unwissenheit entstanden sind, kann ich nicht beurteilen, ich bin halt kein wissenschaftliches Allround-Genie wie Herr Schmitt.