Geschnitten, oder lieber gedruckt?

Es ist schwer, in Deutschland eine ungeschnittene Version vieler aktueller Filme aus dem Horror- oder Actiongenre zu bekommen. Gleiches gilt für Computerspiele, die selbst dann, wenn sie das rote „keine Jugendfreigabe“-Logo tragen, nicht in der Originalversion erhältlich sind. Ob der Horrorklassiker „Hellraiser II – Hellbound“ (in der 18er-Fassung!) u.a. um eine lange und äußerst blutige Szene gekürzt wurde (siehe Minute 26), oder ob in „Bloodrayne 2“, einem Spiel über eine Halbvampirin mal eben sämtliches Blut und die kompletten Splattereffekte fehlen. Kennt man, Deutschland eben. Daher bestellt man aktuelle Spiele ja auch im Ausland. Ich habe jedenfalls keine Lust darauf, als volljähriger Bürger vom Staat bevormundet zu werden. Zumindest bei Filmen gibt es allerdings Licht am Ende des Tunnels, einige Klassiker wie Terminator oder auch die Hellraiser-Reihe sollen bald (oder sind es zum Teil schon) auch in Deutschland offiziell ungeschnitten verfügbar sein. Das hat wohl damit zu tun, dass Indizierungen irgendwann ablaufen, sofern keine Folgeindizierung beantragt wird.

Bei Büchern sieht das Ganze etwas anders aus. Da scheint es kein System wie FSK/USK zu geben, mir ist zumindest keines bekannt und ich habe noch nie etwas von Altersfreigaben bei Büchern gehört. Empfehlungen gibt es, aber keine verbindlichen Freigaben. Und dabei habe ich mich schon des öfteren gefragt, ob im Buchhandel darauf geachtet wird, ob sich ein Zwölfjähriger „American Psycho“ kaufen möchte. Das Buch war in Deutschland immerhin einige Jahre indiziert. In meinen Augen kein Buch, das das seelische Gleichgewicht eines Erwachsenen zerstören wird, aber in Kinderhände gehört es sicher nicht.

Ich habe vor einiger Zeit „Sorry“ von Zoran Drvenkar gelesen, war ein Geschenk. Da wird gleich auf den ersten Seiten recht drastisch beschrieben, wie jemand mit einem Nagel durch die Stirn buchstäblich an die Wand genagelt wird. Während derjenige noch lebt, wohlgemerkt. Auch im Weiteren geht es durchaus zur Sache, sexueller Missbrauch, diverse Morde und so weiter. Ein echtes Kinderbuch. Nicht. Nirgends findet sich ein Hinweis zur Altersfreigabe. Dabei wäre es nur gerecht, wenn auch Bücher mit einem großen, hässlichen Logo verschandelt würden, wie es ja Computerspielen und Filmen ergeht.

Sind Bücher unbedenklich, was einen Einfluss auf die Psyche des Lesers angeht? Kann ich mir schwer vorstellen, denn immerhin entsteht das Grauen hier ja direkt im Kopf. Ich habe vor vielen Jahren viel Stephen King gelesen und einige der Geschichten sind bis heute noch gruselig. „Das Schreckgespenst“ zum Beispiel, gemeines Ende. Fand ich als Kind wirklich extrem übel. Heute reicht ja der Griff ins „Thriller“-Regal um direkt detailliert beschriebene Morde und drastische Gewalt serviert zu bekommen. Blutig muss es sein, Menschen müssen grausam abgeschlachtet werden, damit auch ja Spannung und Nervenkitzel aufkommen. Alles total legal und frei verkäuflich. Damals reichte noch Sherlock Holmes, heute müssen es Serienkiller sein. Zeitgeist wahrscheinlich. Aber irgendwie wirkt es bizarr, dass Filme und Games kritisch beäugt, gekürzt, indiziert oder gleich beschlagnahmt werden, sobald dort Waffen wie eine Nagelkanone oder dergleichen zum Einsatz kommen, in „Sorry“ darf aber völlig legal und ungeschnitten jemand an die Wand genagelt werden. Die Kürzungen in Filmen/Spielen erfolgen dabei nicht durch die FSK/USK, sondern durch die Hersteller der Produkte, um die Chance auf eine Freigabe in Deutschland zu erhöhen. Das schützt vielleicht das Image der Jugendschützer, die dann stolz verkünden können, mal wieder Deutschlands Kinder gerettet zu haben, indem sie einem Film nur gekürzt eine Freigabe erteilt haben, aber die Jugend schützt es nicht. Ob Flughafenmassaker in „Modern Warfare 2“ oder böse zerhackte Menschen in „Bloodrayne 2“, wenn man´s will, kommt man dran. Aus Österreich bestellt und am nächsten Tag geliefert, zack. Illegal ist das nicht, es schadet zwar der deutschen Wirtschaft, was ich aber nicht als meine Schuld ansehe.

In sofern sind Bücher viel wirtschaftsfreundlicher. Einfach in den Laden gehen, Thriller einpacken, dem Buchhändler Geld in die Kasse spülen und zu Hause Dinge genießen (?), die es so niemals in eine deutsche DVD-Veröffentlichung oder die deutsche Version eines Computerspiels schaffen würden. Einfach. Legal. Blutig. Vielleicht erklärt das die ungebrochene Beliebtheit des Buches.

Ich sollte wieder mehr schreiben. Einen Thriller vielleicht, mit Serienkiller?

B für „Blöd“

Nach der medienwirksam inszenierten linguistischen Glanzleistung Katastrophe „C wie Zukunft“ legt die CDU jetzt nach, wie ich bei GameStar lesen konnte. Hier ein Auszug aus einem aktuellen Papier:

„So sollte neben den Kennzeichnungen der Altersstufen 6, 12, 16 und 18 eine weitere Kennzeichnung hinzukommen: „B“ für Blogs. Eltern sollten bei den  Jugendschutz-Programmen das Alter ihrer Kinder einstellen und zusätzlich entscheiden können, ob auch Angebote mit der Blogger-Kennzeichnung auf dem Computer ihrer Kinder angezeigt werden dürfen – unabhängig von der eingestellten Altersstufe.“

(hier gibt´s das Originaldokument zum Download)

Im (Achtung: Humor!) „Positionspapier des Medienpolitischen Expertenkreises“ wird u.a. von „den Bloggern“ gesprochen, als wäre das ein Volksstamm aus Vorderindien. Noch besser aber ist der Vorschlag, eine freiwillige Selbstkontrolle für Bloginhalte einzurichten, die von „der Netzcommunity“ (ein Nachbarstamm der Blogger) umgesetzt wird. Grandios.

Fassen wir also zusammen: Blogs sind böse. Naja, nicht generell, aber dennoch genug, um eine spezielle Kennzeichnung zu fordern. Ich lasse dann also meine Inhalte von der Netzcommunity gegenlesen (hey, das bringt auf jeden Fall eine Menge Leute auf mein Blog. Ich sollte Banner schalten.) und erhalte dann von denen eine Einschätzung, wie jugendgefährdend mein Blog ist.

Klingt blöd toll!

Damit das hier nicht falsch rüberkommt, ich bin durchaus für Jugendschutz. Aber bitte, seit wann sorgt denn ein „Bitte sehen Sie nicht hin!“-Schild dafür, dass die Leute einfach weitergehen und eben nicht stehen bleiben um zu gaffen? Eine generelle, freiwillige Einstufung des Inhalts, wie das auch von anderen Diensten schon ermöglicht wird, wäre indes keine so schlechte Idee. Gleichzeitig müsste dann aber eine Möglichkeit geschaffen werden, Jugendschutzprogramme/Browser zu veranlassen, diese Inhalte auszublenden. Und damit meine ich eine Möglichkeit, die nicht jeder Fünftklässler in zwei Minuten umgehen kann (vgl. auch „Netzsperren“). Technisch würde das dann bedeuten, dass jedes (freiwillig teilnehmende, *rolleyes*) Blog einen speziellen, von irgendwem bereitgestellten Code einbinden müsste, der mit diversen Jugendschutzprogrammen kompatibel ist? Und sobald ich in einem einzigen Artikel voller Enthusiasmus über „Dead Space“ berichte, wäre kheryha für immer und ewig ab 18? Ach so, oben steht ja, dass die „Blogger-Kennzeichnung“ unabhängig von der Altersfreigabe greifen soll. Heißt also, dass, selbst wenn ich nur über Disneyfilme blogge und das „B“ einbinde, übereifrige Eltern mein Blog trotz FSK 6 blockieren würden, wenn sie in guter (?) Absicht im Jugendschutzfilter den entsprechenden Haken setzen? Zuende gedacht. Nicht.

Das klingt alles supertoll, wenn man für den Jugendschutz trommeln will, aber zu mehr taugt es nicht. Hier zeigt sich ein weiteres Mal, wie weit in der CDU gedacht wird. Ist irgendwie nicht so besonders weit.

Kafka? Kenn´ ich irgendwoher…

Es passiert ja selten genug, dass mein Blick an irgend welchen Plaketten oder Aufklebern hängenbleibt, weil da meist nur Quatsch drauf steht, aber diesmal fiel mir „Kafka“ ins Auge. Und das an einem Kiosk der Deutschen Bahn auf dem S-Bahnhof Schönhauser Allee. Literatur bei der Bahn? Und dann noch so schräges Zeug? Mein Interesse war geweckt.

Doch einige Augenblicke später kam die Ernüchterung, gepaart mit latenter Aggression ob des (wie hätte es auch anders sein sollen) recht grotesken Inhalts des kleinen Plakats. Nicht etwa Franz Kafka, sondern die „Kein Alkohol für Kinder Aktion (KAfKA)“ steckt dahinter.

Ach, jetzt ist es also schick, sich zu einer Aktion zu bekennen, die nichts anderes fordert als das, was das Jugendschutzgesetz ohnehin zwingend vorschreibt? Was heißt denn das jetzt? Dass die Bahn vorher doch Alkohol an Kinder verkauft hat, aber jetzt damit aufhört? Wo ist denn dann der „Kein Tabak für Kinder“-Aufkleber?

Auf der offiziellen Seite zur Aktion (klickst Du hier) findet sich Folgendes:

„Um Jugendschutz erfolgreich umsetzen zu können, reicht es nicht, nur Eltern aufzuklären, sondern besonders das Verkaufspersonal in Geschäften, Supermärkten, „Spätkäufen“ und Tankstellen usw. muss einbezogen werden.“

Hmm, was sagt mir das jetzt? Dass kein Verkäufer jemals auf die Idee gekommen ist, sich nach dem Sinn des überall pflichtmäßig aushängenden Jugendschutzgesetzes zu erkundigen, oder dass man tatsächlich glauben soll, dass jemand, der Alkohol verkauft, tatsächlich nicht weiß, dass der Verkauf an Kinder verboten ist? Ich weiß nicht, was absurder ist.

Aber wenn wir schon bei „Ich mache mit!“-Schildern sind, bin ich dringend dafür, dass alle Radfahren ab sofort einen Sticker auf der Stirn tragen müssen, auf dem steht: „Rot gilt auch für mich. Ich halte an.“