Voll sozial. Nicht.

„Aufrunden bitte“ prangt nicht nur im Pennymarkt bei mir um die Ecke in großen Lettern. Hintergrund ist, dass man als sozial denkender Mensch beim Einkauf die gezahlte Summe aufrunden soll (um maximal 10 Cent), um das gespendete Geld sozialen Einrichtungen zu Gute kommen zu lassen.

An der Aktion „Deutschland rundet auf“ haben sich eine Reihe von Firmen beteiligt, die allesamt zu Speerspitze der sozialen Bewegung in Deutschland gehören und sich zuvorderst durch hervorragende Arbeitsbedingungen auszeichnen. Gut, das ist gelogen. Denn z.B. Netto und Kik hatten unlängst eher nicht so gute Presse in dieser Hinsicht (vgl. hier oder hier). Aus dieser Perspektive betrachtet drängt sich schon ein schaler Beigeschmack auf, da das Ganze doch seeeeeehr stark nach einer unsagbar dreisten schlecht getarnten Imagekampagne riecht.

Naja, ich habe mir heute jedenfalls den Flyer zur Aktion mitgenommen und war total gespannt darauf, wie sich die teilnehmenden Unternehmen denn selbst sozial beteiligen. Das Ergebnis war keine Überraschung, das Engagement von Penny beläuft sich auf genau … Nichts. Ich ging in meinem grenzenlosen Optimismus noch davon aus, dass irgend sowas wie „wir verdoppeln alle Spenden und tun was total Gutes“ darinsteht, aber – Pustekuchen. Die gesamte Aktion wird auf den Rücken der Kunden aufgetragen, denn diese sind die einzigen, die bei dieser Aktion irgendwas Soziales tun.

Bei Süddeutsche.de wird über das Projekt und dessen Gründer Christian Vater geschrieben:

„Die Resonanz ist sehr positiv“, freut sich Vater. Die Frage nach der konkreten Summe sieht er gelassen: „Für uns ist das Spendenvolumen nicht das Maßgebliche“, sagt er, „viel wichtiger ist, wie viele Menschen eigentlich mitmachen und aufgerundet haben. Das ist die viel spannendere Zahl und darauf freue ich mich schon total.“ Aufrunden, so Vater, solle so selbstverständlich werden wie Trinkgeld geben, „nur eben für unsere Gesellschaft.“

Aha, Trinkgeld also. Ich finde ja Trinkgeld generell schon diskussionswürdig, denn nur weil mir ein Kellner mein Essen bringt, und damit nichts anderes als seinen Job macht, hat er in meinen Augen nicht automatisch ein Trinkgeld verdient. Aber das nur am Rande. Viel wichtiger ist, dass Herr Vater hier ganz selbstverständlich voraussetzt, dass die Verbraucher die Kosten seiner Aktion tragen sollen, nicht etwa die Konzerne, die es vielleicht wirklich mal nötig hätten, sich ein wenig sozial zu zeigen. Hier wäre es in meinen Augen nur recht und billig, wenn sich die teilnehmenden Firmen, die sich zweifellos eine Imageverbesserung erhoffen, sich diese auch freiwillig etwas kosten ließen.

Eine Frage der Verhältnismäßigkeit

oder: Wie man die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes zur Selbstinszenierung einsetzt.

Spitzenidee oder völliger Blödsinn? Das schlägt der beinahe nicht frisch gewählte Bundespräsident Wulff doch ernsthaft vor, Jogi Löw solle das Bundesverdienstkreuz verliehen und die gesamte Mannschaft auch noch mit dem Silbernen Lorbeerblatt bedacht werden. Nun mag man ja Fußball vielleicht als wichtiger als den Weltfrieden ansehen, aber gleich einen Orden…für den dritten Platz? Klar, das Image der Deutschen wurde kräftig aufpoliert, aber sollte das nicht auch Lohn genug sein, mal angesehen vom üppigen Gehalt der Fußballhelden? Das Ganze riecht schon seeeeehhhhhhhrrrrrr nach einer willkommenen Möglichkeit zur Selbstinszenierung unseres (?) frisch und in einer echten Wahlfarce gewählten Bundespräsidenten. Immerhin hielt Herr Wulff sein ausdrucksloses Gesicht medienwirksam in die Kameras, als er nach Südafrika geflogen war, um sein angekratztes Image aufzupolieren, ähmm, ich meine natürlich, um unsere Helden bei der Arbeit zu beobachten.

Da hat die PR-Abteilung ganze Arbeit geleistet.

Amok fördert Image (zumindest bei Kaufhof)

Die Kaufhof-Kette verbannt Computerspiele, die das USK-Siegel „keine Jugendfreigabe“ tragen aus den Regalen.

„Wir sind ein Kaufhaus für Familien. Eltern sollen mit ihren Kindern hier durchgehen können, ohne auf solche Spiele zu stoßen.“ (Quelle)

Okay, familienorientiert bedeutet also für Kaufhof, dass Computerspiele, die nach deutschem Recht für über 18-jährige Personen legal zu kaufen sind, aus dem Sortiment genommen werden? Seltsam, dass dieses nicht (zumindest wird es nicht erwähnt) auch auf Film-DVDs angewandt wird. Sind denn Filme mit dem FSK-Siegel „keine Jugendfreigabe“ automatisch harmloser als Computerspiele mit derselben (USK-)Freigabe? Schwer vorstellbar, zumindest für mich.

Eine komische Vorstellung hat Kaufhof von Familie aber schon, oder? Ich habe es ohnehin noch nie verstanden, dass mit dem Prädikat „für die ganze Familie“ fast durchweg nur auf Kinder zielende Produkte beschrieben werden. Als ob Familien zwangsläufig minderjährige Kinder beinhalten müssten…

Die Kaufhof-Aktion riecht jedenfalls mehr als muffig nach einer PR-Kampagne im Fahrwasser des Amoklaufes von Winnenden. „Seht her, Bürger, wir verbannen die bösen, bösen Killerspiele!“ scheint Kaufhof zu rufen und baut offenbar darauf, dass sich dies imagefördernd auswirkt. Einen moralischen oder rechtlichen Hintergrund vermag ich dabei nicht zu sehen, eher politische Speichelleckerei. Geradezu widerlich erscheint mir, dass gerade jetzt, wo Deutschland eine neue Bluttat zu verdauen hat, mit eben diesem Grauen Kasse gemacht werden soll. Wahrscheinlich erhofft sich Kaufhof dadurch mehr Umsatz von Müttern und Vätern, die die nun „jugendfreie“ Computerspielabteilung von Kaufhof aufsuchen, um für ihren minderjährigen Nachwuchs Spiele zu kaufen.

Der minderjährige Nachwuchs wird indes während der Abwesenheit der Eltern (die sind ja bei Kaufhof) genau wie sonst auch die neusten Killerspiele runterladen und sich damit auf den persönlichen Amoklauf vorbereiten.

Nach dem nächsten Massaker muss sich Kaufhof dann eine neue PR-Kampagne einfallen lassen…vielleicht schmeisst man dann endlich mal deutsche Schlager aus dem Musiksortiment? Die machen (mich) nämlich wirklich aggressiv.

Eine Sprecherin der Kaufhof-Zentrale in Köln bestätigte am Dienstag, dass die Auslistung von Spielen ab 18 aufgrund der Ereignisse in Winnenden erfolgt. Das Unternehmen wolle „ein Zeichen für seine soziale und gesellschaftspolitische Verantwortung setzen“. Die Frage, ob der Schritt nicht purer Aktionismus sei, ließ sie unbeantwortet. (Quelle)

Ja, was sollte die gute Frau darauf auch antworten?