Die „Killerspiele“ müssen wieder einmal als Sündenbock herhalten.
Im zugegeben nicht mehr taufrischen Artikel auf focus.de spricht eine offensichtlich nicht qualifizierte Person Wissenschaftlerin über Killerspiele und lässt sich zu folgenden Aussagen hinreißen:
Für schwere Gewalttaten gibt es eine ganz entscheidende Voraussetzung: Ich nenne es „die tyrannische Gelegenheit“. Im Fall von Amoklauf ist dies unter anderem die Verfügung über Waffen und die geübte Fähigkeit, durch gezielten Kopfschuss zu töten: Genau das lernen Menschen bei „Killerspielen“.
Nein, Frau Ostbomk-Fischer, das lernen Menschen bei „Killerspielen“ eben nicht. Keines der auf dem Markt befindlichen Spiele bringt dem Spieler bei, wie eine reale Waffe bedient wird, wie eine reale Waffe sich anfühlt oder wie eine reale Waffe sich beim Abfeuern verhält. Die Aussage von Frau Ostbomk-Fischer entbehrt jeglicher Grundlage und darf nicht wissenschaftlich genannt werden, die Aussage ist schlicht und objektiv falsch. Die Amokläufer von Erfurt und Winnenden haben das Schießen in legalen Schützenvereinen gelernt, wurden an legal besessenen scharfen Waffen ausgebildet und dadurch mit staatlichem Segen zu geübten Schützen ausgebildet.
Weiter gehts:
Es kann nicht deutlich genug gesagt werden: „Killerspiele“ sind spezielle Formen von Computerspielen, die darauf ausgerichtet sind, den Grundkonsens einer humanen Gesellschaft zu untergraben. Zu den wesentlichen Merkmalen von „Killerspielen“ gehört es, dass die Spielenden animiert werden, einzeln oder gemeinsam andere Menschen als Gegner oder Feinde wahrzunehmen, diese Menschen verächtlich zu machen, sie zu erniedrigen, zu foltern und zu töten, sowie ihre Lebensgrundlage zu zerstören.
Nein, Frau Ostbomk-Fischer, im Computerspielen werden nicht die anderen Menschen, sondern deren virtuelle Stellvertreter als Gegner angesehen. Beim Boxen, einer anerkannten und offensichtlich nicht jugendgefährdenden Sportart, wo beide Kontrahenten sich direkt zusammenschlagen, ohne virtuelle Zwischenwelt, geschieht eben genau das nicht, dort wird nämlich in der Tat der andere Mensch als Gegner angesehen. Wird hier also mit zweierlei Maß gemessen?
Mehr Unkenntnis, diesmal zum Thema USK:
Das Jugendschutzgesetz bezieht sich eigentlich nur auf die Einhaltung der Altersgrenzen. Die Altersempfehlungen werden aber von den Herstellerkonzernen über die USK (Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle) selbst bestimmt, die natürlich am Verkauf ihrer Produkte interessiert sind.
Äh, nein.
Und noch mal:
Besonders brutale und menschenverachtende „Spiele“ werden von der USK „ab 18“ gekennzeichnet, fallen also nicht mehr unter das Jugendschutzgesetz und können auch nicht mehr indiziert werden. Fast jedes Kind kann im Übrigen an Spiele „ab 18“ gelangen, zum Beispiel durch Freunde, ältere Geschwister, Internettauschbörsen oder Bestellung im Ausland.
Möööp. Wieder falsch. Menschenverachtende Spiele bekommen kein USK-Siegel, Beispiele dafür sind z.B. „Condemned 2“ oder „Manhunt“, die beide beschlagnahmt sind. Diese Spiele dürfen in Deutschland nicht verkauft werden. Die meisten brutalen Spiele erhalten nur nach drastischen Kürzungen (siehe „Call of Duty – World at War“ oder „Necrovision“) überhaupt das „keine Jugendfreigabe“-Siegel (USK ab 18 Jahren).
Dass jedes Kind an nicht für sein Alter freigegebene Spiele gelangen kann, zeigt nicht, dass die Gesetze unzureichend wären, sondern dass Eltern, Geschwister oder Ladenketten ihrer Verantwortung nicht nachkommen, Kindern den Zugang zu Spielen zu verwehren, die nicht für ihr Alter freigegeben sind. Ebenso sollten Eltern zumindest versuchen, den Internetverkehr ihrer Kinder im Auge zu behalten. Der Sprößling muss keine illegalen Torrent-Downloads machen können, nee, wirklich nicht. Aufsichtspflicht heißt das Zauberwort. Bestellungen im Ausland stellen sich auch etwas schwierig dar, ohne eigene Bank-, Kredit- oder Sonstwas-Karte. Abgesehen davon, dass Minderjährige im Zweifel noch gar nicht geschäftsfähig sind, aber mit derlei Kinkerlitzchen will ich mich hier nicht aufhalten.
Ein weiterer Beitrag zum Thema „Nichts wissen und dennoch davon erzählen.“
Es verwundert kaum, dass Frau Ostbomk-Fischer sich auf Studien von Christian Pfeiffer bezieht, steht zumindest auf ihrer Homepage. Durch Verwertung zweifelhaften Materials werden die wackligen Thesen und die mehr als gewagte Argumentation eines Herrn Pfeiffer auch nicht wissenschaftlicher. Mitunter ist es sinnvoll, Studien auch kritisch zu lesen und mehr als eine Quelle für die eigene Arbeit heranzuziehen. Als Wissenschaftlerin sollte Frau Ostbomk-Fischer das eigentlich wissen, fragt sich also, warum sie es offenbar nicht getan hat.