Kaum ein Wort wird wohl derzeit so inflationär gebraucht wie „Burn-out“. Hat man Stress auf der Arbeit, steuert man auf ein Burn-out-Syndrom zu, schläft man mal schlecht oder fühlt sich leer und „ausgebrannt“, droht das Damoklesschwert des Burn-out auf den hilflosen Menschen herabzusausen. Zunächst passt das natürlich zusammen: viel Stress und ein nervenzehrender Alltag führen zum Gefühl der inneren Leere bis hin zu depressiven Zuständen. Naja, in der Theorie ergibt das schon Sinn…
…aber man weiß ja, wie das mit Theorien so ist. Viele, die meinen, von Burn-out betroffen zu sein, zeigen typische Symptome einer Depression. Aber Burn-out klingt ja viel schöner und vor allem ist das so schön Englisch. Und überhaupt, wer unter Depressionen leidet, der hat doch sowieso einen an der Waffel, oder? Folgt man also der Logik, müssten ja besonders stressige Berufe oder Arbeitsbereiche überproportional viele Fälle von Burn-out hervorbringen, was aber offenbar nicht der Fall ist. Eher das Gegenteil.
Schönes Zitat zu diesem Thema (Quelle):
Warum gibt es Menschen, die rund um die Uhr im Einsatz sind und dennoch einen völlig entspannten Eindruck vermitteln, während andere bei einem „9 to 5“-Job gestresst bis zum Burn-out sind. Und mehr noch, warum leiden sogar Arbeitslose unter Stress? Die Schlussfolgerung liegt auf der Hand. An der Menge der Arbeit kann es wohl nicht liegen. Bleibt also nur die Art der Arbeit.
Aha, also nicht die Zahl der Wochenstunden, sondern die Art der Tätigkeit soll also bestimmen, ob wir uns ausgebrannt fühlen? Das scheint mir einleuchtend, denn obwohl ich mich gern und viele Stunden am Stück Tätigkeiten hingeben mag, die mir Spaß machen, die mich intrinsisch motivieren, kann ich mich nur schwer motivieren, auch nur einen Bruchteil dieser Begeisterung für Aktivitäten aufzubringen, die mir so gar nicht gefallen. Natürlich geht man Kompromisse ein, motiviert sich, seine Arbeit so gut wie möglich zu machen, arbeitet länger wenn nötig, macht geschäftliche Reisen, bei denen man vor dem ersten Hahnenschrei aufsteht und mit der Nachtigall zu Bett geht, aber irgendwann ist dieses Reservoir an intrinsisch aufgebauter Motivation verbraucht. Oder „ausgebrannt“? Dann zählt, ob auch extrinsische Motivation vorhanden ist, ob der Job also Spaß macht, ob Mehrleistung auch mehr honoriert wird, ob das Arbeitsklima stimmt und so weiter. Wenn das nicht der Fall ist, beginnt ein kräftezehrender Marathon, den man so lange durchhält, bis entweder irgendwas passiert, oder einem die Augen geöffnet werden. Aber Burn-out würde ich das dennoch nicht nennen. Eher Stress, der vermieden werden könnte, indem man entweder an den Bedingungen des Arbeitslebens ansetzt oder sich beruflich neu orientiert.
Wahrscheinlich kann man sehr schnell herausfinden, ob man an einer Depression, oder tatsächlich an einem stressbedingten Burn-out leidet. Schläft man länger, entspannt sich, nimmt vielleicht Urlaub und die Symptome *verschlimmern* sich, ist es wohl kein Burn-out, sondern eher eine Depression. Uncool, aber wahr. In diesem Fall hilft, so widersinnig es auch klingen mag, angeblich Schlafentzug wesentlich mehr. Wenn man die dadurch gewonnene Zeit allerdings sofort wieder in die Arbeit steckt, klopft wohl bald wirklich das Burn-out an die Tür.
Also, genauer hinschauen und in sich hineinhören lohnt sich. Habe ich mir auch vorgenommen für 2012.